Erbitterter Kampf um die Rentenreform

„Bis die Reform kippt!“, so die Botschaft der Streikenden, die seit Anfang Dezember 2019 den Nah- und Fernverkehr und andere Bereiche des öffentlichen Lebens lahmlegen und zu hunderttausenden bei den zahlreichen Protesttagen auf die Straße gehen.

Streik zur Rentenreform in Frankreich

 Das geplante Punktesystem für die Rente, nach dem schwedischen oder deutschem Vorbild, allerdings für alle, auch Beamtinnen und Beamte, würde einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der französischen Rentenpolitik bedeuten. Das vermeintliche Ziel dahinter: die Lebensarbeitszeit zu verlängern und die Bürgerinnen und Bürger zu mehr privater Vorsorge zu bewegen. Die Botschaft der Macron-Regierung lautet: Das aktuelle System ist kompliziert, ungerecht und nicht mehr zeitgemäß, die Einführung eines einheitlichen Punktesystems daher alternativlos. Besonders beharrlich wird auf die rund vierzig Einzelsysteme verwiesen, einhergehend mit überholten Privilegien.

Parallel zum andauernden Streik finden Gespräche zwischen der Regierung und den Gewerkschaften statt, die sich von Macrons Plänen getäuscht sehen. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte er versprochen, das Renteneintrittsalter von 62 Jahren nicht anzutasten, nun soll es auf 64 Jahre angehoben werden. Doch wegen der anhaltenden Proteste gibt die Regierung am 11. Januar schließlich dem Druck der Gewerkschaften nach und streicht das  Vorhaben „Rente mit 64“ vorerst aus dem Gesetzestext. Auf den Straßen Frankreichs entlädt sich dennoch weiter Verzweiflung und Wut, es kommt zu teils gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der Polizei. Der autoritäre Politikstil Macrons bei der Durchsetzung der Reform wird in dieser Zeit von vielen Seiten kritisiert. Denn das Image des „Reformpräsidenten“ einerseits geht einher mit der Wahrnehmung als 

sozial unsensibler „Präsident der Reichen“, für den die normalen Bürgerinnen und Bürger nicht zählen, was weitere Wählerschichten in die Arme Marine Le Pens oder an den extrem linken politischen Rand treiben könnte. International wird die Kultur der präsidialen Autorität und der Konfrontation als schwerwiegendes Handicap für das Land betrachtet. Immerhin soll im Weiteren auf einer Konferenz an Alternativ-Plänen zur Finanzierung des Rentensystems gearbeitet werden.

Doch noch bevor es zu den Vorschlägen der Sozialpartner zur Modifizierung des Reformvorhabens kommt, kündigt Emmanuel Macron in seiner Fernsehansprache am 16. März wegen der Corona-Pandemie nicht nur die landesweite Ausgangssperre an, sondern informiert auch darüber, dass die geplante Rentenreform vorerst ausgesetzt wird.